Genetisch bedingte Taubheit
Die Taubheit beim Hund hat sehr unterschiedliche Ursachen. Zum einen
kann sie angeboren sein, zum anderen kann sie aufgrund von exogenen
Einflüssen, z.B. Infektionen, Trauma, toxischen Substanzen oder nach
physikalischer Einwirkung, z. B. Lärm auftreten. Weiterhin gibt es beim
Hund wie auch beim Menschen die Altersschwerhörigkeit.
Angeborene Taubheit kommt rasseübergreifend vor und tritt normalerweise
mit einer Häufigkeit von 2 bis 6 Tieren auf 10.000 auf. Bei einigen
Rassen wie Dalmatiner, weißfarbige Bullterrier, English Setter, English
Cocker Spaniel und Jack Russell Terrier tritt sie allerdings gehäuft
auf.
Die Situation bei Dalmatinern ist derzeit am besten erforscht. Geschätzt
sind rund 4-8% aller Dalmatiner in Deutschland von Geburt an taub. Diese
Zahl schwankt allerdings stark je nach Untersuchung: in Amerika scheint
der Anteil bei bis zu 30 % zu liegen, in Holland sind es immerhin noch
18 %. Vermutlich ist dabei aber immer noch mit einer hohen Dunkelziffer
zu rechnen.
Unter Taubheit versteht man die Einschränkung des ein- oder beidseitigen
Hörvermögens. Die vererbte Taubheit ist durch einen Funktionsausfall der
Gehörschnecke (Cochlea) bedingt. Sie manifestiert sich in der Regel
innerhalb der ersten 6-8 Lebenswochen. Bei den Welpen kommt es zu einer
massiven Störung der Blutversorgung im Ohr. In deren Folge sterben
Nervenzellen ab und die Stereocilien, also die Härchen im Ohr, die für
eine Weiterleitung der akustischen Signale erforderlich sind, fallen
aus. Dieser Vorgang ist irreparabel, die Taubheit kann nicht geheilt
werden.
Welches Gen für diesen Vorgang verantwortlich ist, konnte bisher nicht
geklärt werden. Eine entscheidende Bedeutung wird zwei
Pigmentierungsgene zugedacht, dem so genannten „Merle“-Gen und dem „Piebald“-Gen.
Diese Genvarianten besitzen vor allem Hunderassen mit einem hohen Anteil
an Weißfärbung im Fell. Doch Taubheit kommt auch bei Rassen vor, die
keine dieser beiden Varianten aufweisen. Weiterhin ist unklar, um welche
Art von Vererbung es sich handelt. Nach neuen Erkenntnissen vermutet man
einen einfachen dominant-rezessiven Erbgang, wobei die Rolle der
Penetranz, also die Wahrscheinlichkeit, mit der sich ein dominant
wirkendes Gen als Merkmal ausprägt, noch unbekannt ist. Sowohl die
Tierärztliche Hochschule Hannover als auch das Tierärztliche Institut
der Universität Göttingen bemühen sich, die genetische Ursache für die
vererbte Taubheit bei Hunden zu klären.
Hat man die Veränderung in der Erbsubstanz, der DNA erst einmal
identifiziert, ist es möglich einen einfachen und schnellen Test
anzubieten, der bei jedem Hund unabhängig vom Alter durchgeführt werden
kann und zweifelsfrei die vererbte Taubheit diagnostiziert. Dazu wird
aus Blut- oder Haarproben die DNA isoliert und auf die Mutation hin
überprüft.
Doch bis es soweit ist, kommt momentan der frühzeitigen Diagnostik
hinsichtlich einer Zuchtselektion die größte Bedeutung zu. Ein
objektives Verfahren, vor allem bei einseitiger Taubheit, bietet die
Aufzeichnung und Auswertung akustisch evozierter Hirnstammpotentiale
(AEP).
AEP/BAER Hörtest
Der als AEP bzw. BAER bekannte Hörtest analysiert elektrische Aktivität
in der Cochlea und den zentralnervösen Strukturen der Hörbahn im Gehirn,
die in zeitlicher Korrelation zu externen akustischen Reizen stehen,
ähnlich wie ein EKG des Herzens. Die Reaktion auf diese Stimulierung
wird als Wellenlinie mit mehreren Ausschlägen (Peaks) sichtbar. Der
erste Peak wird von der Cochlea verursacht, die weiteren vom Gehirn. Bei
einem tauben Tier bleibt die Linie relativ flach, es sind keine Peaks zu
erkennen.
Untersuchungsablauf
Die zu untersuchenden Hunde sollten mindestens 8 Wochen alt sein (davor
entwickelt sich das Gehör noch). Beim Tierarzt werden sie über ihre Täto-Nummer
identifiziert, ihre Daten anhand der Ahnentafeln registriert. Im
Anschluss daran werden Fotos des Exterieurs, der Iris und des
Augenhintergrundes (Netzhaut) beider Seiten angefertigt. Unter Narkose
werden die akustisch evozierten Potentiale abgeleitet. Sollte sich
herausstellen, dass der Hund beiderseits taub oder stark hörgeschädigt
ist, sollte zusätzlich einige Tage später noch ein Schwimmtest
durchgeführt werden.
AEP Ableitung
Mittels eines Generators werden mischfrequente Klicksignale
unterschiedlicher Lautstärken erzeugt. Diese Signale werden über
Kopfhörer, deren Lautsprecher direkt in den äußeren Gehörgang
eingebracht werden, auf das Trommelfell geleitet. Die anschließenden
Messungen werden für das rechte und linke Ohr getrennt vorgenommen,
wobei für jedes Ohr mindestens 5 Mess-Spuren unterschiedlicher
Lautstärke (80, 60, 50, 40, und 30 dB) erstellt, per Hand ausgewertet
und zur Dokumentation ausgedruckt werden.
Im Interesse der Zucht sollten alle Tiere diesem Test unterzogen werden.
Da es sich mit Sicherheit um einen genetischen Defekt handelt, der
vererbt wird, kann das Auftreten der Taubheit mit Hilfe des AEP, dessen
strikter Anwendung und des daraus resultierenden Ausschluss tauber Tiere
von der Zucht drastisch reduziert werden. Zu Empfehlen ist allerdings
eine Festlegung der Prüfkriterien. Nur bei Einhaltung von vorgeschrieben
Meßmethoden und Kriterien ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse
gewährleistet. Dazu gehört vor allem die Festlegung der Dezibel-Werte
sowie des Sedationsmittels.
Autor: © Tanja Kutzer.
An der Tierärztlichen Hochschule Hannover wird an diesem Thema
gearbeitet www.tiho-hannover.de
(erschienen in News 6/2002 Verein für Pointer und Setter e.V.).